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SEHNSUCHTSORT STADT: UND WO IST GOTT?

Beim ökumenischen Netzwerk „Miteinander für Europa“ ging es bei der Begegnung im Juni 2025 in München um den Dienst der Christinnen und Christen an der Stadt. Beobachtungen von Peter Forst. 

Die Matthäuskirche in München ist auf drei Seiten vom Nussbaumpark umgeben, im Osten grenzt sie an den Sendlinger-Tor-Platz. Ein Ort zentral in der Stadt und doch im Grünen – ideal für eine Begegnung zum Thema „Suchet der Stadt Bestes“. Das ökumenische Netzwerk „Miteinander für Europa“ (MfE) hatte für den 27. bis 29. Juni 2025 dazu eingeladen. Doch der erste Eindruck täuscht. Idyllisch ist es hier nicht. Ein Obdachloser hat auf den Eingangsstufen der lutherischen Kirche übernachtet; immer wieder bitten Menschen an den Türen der Kirche um Geld; ein junger Mann uriniert an die Aussenwand der Kirche. 

Um diese Stadt ging es in der Matthäuskirche. Um das Beste für diese Stadt in all ihrer Widersprüchlichkeit. Weltweit sind Städte Sehnsuchtsorte. In wenigen Jahren wird die Hälfte der Menschheit in Städten leben. Und die Christen? „Die Städte wachsen, doch die Christen fliehen häufig aus ihnen“, so die Meinung von Rainer Harter, Leiter des Gebetshauses in Freiburg (Breisgau). Denn die Städte seien Gott und den Gläubigen gegenüber feindselig eingestellt. Einen entschieden anderen Akzent setzte das Wochenende des „Miteinander für Europa“ mit gut 200 Teilnehmenden, die überwiegend aus Deutschland, aber auch aus Österreich angereist waren.  

"Nicht die Hoffnung auf die Zukunft aufgeben"

Der Titel der Tagung „Suchet der Stadt Bestes“ stammt aus dem Alten Testament vom Propheten Jeremia. „Jeremias Worte rufen uns dazu auf, uns auf die Realität einzulassen, wie sie ist; ohne sich Illusionen zu machen oder sich in ‚gute alte Zeiten‘ zurückzuwünschen – doch vor allem nicht die Hoffnung auf die Zukunft aufzugeben“, sagte die Alttestamentlerin Janina Hiebel, deren Beitrag der historischen, geistlichen und theologischen Vertiefung des Titels gewidmet war. Und weiter: „Sucht das Beste und betet für die Stadt, für das Land und für die Welt, in der ihr lebt, das bedeutet auch: keine Feindbilder aufbauen, sondern sie überwinden. Identität bewahren, ohne sich abzuschotten. Gott wird sich von euch finden lassen, auch und gerade an den Orten, von denen ihr meint, dass sie hoffnungslos gottfern sind.“ 

Deborah Dittmer, Leiterin der Vineyard-Gemeinde München, stiess in die gleiche Kerbe: „Wir sind keine Opfer! Wir sind auch keine Beherrscher! Wir sind Salz und Licht der Welt! Das bedeutet nicht, dass wir alles gut finden müssen. Aber wir entscheiden uns für eine Haltung der Liebe gegenüber dieser Welt, der Gesellschaft, der Menschen.“ 

Städte brauchen die Liebe als Fundament

Jeremia habe das Volk Israel aufgefordert, das Beste für die fremde, ja feindliche Stadt Babylon zu suchen, unterstrich Thomas Prieto Peral, evangelisch-lutherischer Regionalbischof von München. Es sei der vielleicht älteste Aufruf, das Gemeinwohl im Blick zu haben. Allen solle es gut gehen. Und deshalb, so Prieto Peral, sei unser Platz an der Seite der Menschen, die angegriffen werden, die Angst haben – seien es Juden, Muslime oder Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung. Christoph Klingen, Generalvikar des Erzbistums München-Freising, ergänzte: „Als Christen ist unser Platz da, wo Menschen zusammenkommen. Gemeinschaft zu ermöglichen, Lebensraum zu schaffen und zu bewahren, geistliche Räume zu eröffnen. Suchet das Beste heisst: Suchet das Gemeinsame. Dann kann das Zeugnis der Christen für die Stadt heller leuchten.“ 

Im Hauptvortrag des Vormittags zeigte Jesús Morán, Ko-Präsident der Fokolar-Bewegung, auf, wie weltliche und geistliche Denker über Jahrhunderte hinweg die Stadt beschrieben haben – als Orte, deren Fundament die Liebe sein muss. Dann, so Morán, der per Video zugeschaltet war, werde die Stadt „zum Ort der Begegnung zwischen Mensch und Gott. Das ist es, was der christliche Blick auf die Stadt bewirkt: den Übergang von der Vernunft des einzelnen zur Vernunft einer Gemeinschaft.“ Christen, so Morán weiter, könnten sich „dafür einsetzen, inmitten der sichtbaren Städte jene ‚unsichtbaren Städte‘ zu errichten, die wahre prophetische Vorzeichen des Reiches Gottes sind.“