"Mit euch": zu diesem Thema trafen sich Ordensleute aus der ganzen Schweiz am 24. und 25. September in Baar (ZG) - und bekamen kernige Impulse von Kurienkardinal Joao Braz de Aviz.
Drei Ordensmänner, fortgeschrittenen Alters, aber nicht alt, sitzen im Kreis mit ungefähr zwanzig anderen Personen im Begegnungs- und Bildungszentrum der Fokolar-Bewegung. Richard Böhi, Bruder der Christlichen Schulen in Neuenburg, Josef Kuster, Bethlehem-Missionar Immensee, und Robert Zehnder der Barmherzigen Brüder von Maria, Helferin der Christen. Sie kommen aus drei verschiedenen Ordensfamilien, aber ihr jugendlicher Geist ist von der Spiritualität der Fokolar-Bewegung belebt, vom Charisma der Einheit. Sie sind die Promotoren des gesamtschweizerischen Ordenstages.
Überaltert und wenig Nachwuchs
Die drei kommen auf die Schwierigkeiten der Orden in der Schweiz zu reden: Mangel an Nachwuchs, Individualismus und das vorgerückte Alter der Mitglieder. Sie anerkennen aber auch, dass der Austausch der verschiedenen Charismen ihrer Gemeinschaften sich auf das Evangelium ausrichtet, der gemeinsame Nährboden ihrer verschiedenen Wurzeln. Der ökumenische Dialog, der Geist des Vaticanums II, die Spiritualität der Gemeinschaften, das Leben nach den Charismen - oft von Laien übernommen - verleihen diesen drei Ordensmännern Schwung.
Der Ordenstag ist der zweite gemeinsame Anlass für Ordensfrauen und –männer in der Schweiz. Diese Tage gemeinsamen Nachdenkens wurden von einem Ausschuss der Vereinigung der Orden und Säkularinstitute der Schweiz (CORISS) lanciert. Sie werden unterstützt von der Fokolar-Bewegung, die sie im Zentrum Eckstein in Baar aufnehmen.
400 Ordensleute voller Elan
"Der aktuelle Anlass setzt die Tagung über das Gott geweihte Leben fort, die im Juni 2015 in Sachseln und in Baar stattfanden“, sagt Isabelle Catzeflis, Sekretärin der CORISS. „Wir haben schon damals Kardinal Joao Braz de Aviz empfangen. Er ist gerne auch dieses Jahr wiedergekommen." Ein Ziel sei auch, sich über Themen auszutauschen, "die nicht nur Probleme sind."
Diese Ziele wurden erreicht. Am Vorabend, am 24. September, haben sich ungefähr 400 Ordensmänner und -frauen im Gemeinschaftssaal in Baar eingefunden. Eine schöne Einheit mit einer klaren Mehrheit von Ordenfrauen.
Kardinal Joao Braz de Aviz, im Vatikan für die Ordensleute und Säkularinstitute zuständig, zeigte die Bedeutung des geweihten Lebens auf, welche das II. Vatikanische Konzil hervorgehoben hat. Der folgende nachkonziliäre Neuaufbruch in all den alten und neuen Lebensformen weist zurück auf das Charisma der Gründer. Heute sei jedoch die Zeit für Veränderungen gekommen - mit dem Anspruch, die ursprünglichen Anliegen weiter zu führen.
Innerer Wandel notwendig
Diese Entwicklungen können auch Ängste hervorrufen angesichts des Rückgangs der Mitgliederzahl. Kardinal Braz de Aviz weist darauf hin, dass bis in zwanzig Jahren die Hälfte der kontemplativen Häuser in Europa ihre Türen schliessen werden, während das geweihte Leben auf anderen Kontinenten brisant zunimmt. Für den Kardinal muss das Innere der Strukturen des geweihten Lebens in Bewegung geraten: Ausbildung, Autorität und Gehorsam im Sinn einer wachsenden Geschwisterlichkeit, die Beziehungen Männer-Frauen und schliesslich die Finanzfragen in Richtung auf eine fachspezifische Verwaltung.
In seiner unverblümten Redeweise hat der Kardinal die Versammlung mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit der "Gelehrigkeit" für das geweihte Leben aufgeschreckt, das auf die Arbeit des Heiligen Geistes und die konkrete Antwort darauf anspielt.
Die von Kardinal Braz de Aviz als wünschbar bezeichneten Aspekte des Wandels wurden am Abend des ersten Tages unter den Verantwortlichen der Gemeinschaften aufgegriffen und vertieft.
Das Vertrauen wächst
Am Nachmittag legten mehrere Gemeinschaften Zeugnis ab: Eine Fülle von Erfahrungen, die von der Lebendigkeit des geistlichen Lebens zeugen. An einem "Runden Tisch" wurden weitere Charismen vorgestellt: die Schwestern von Grandchamp, eine reformierte Gemeinschaft, die "Geweihten Jungfrauen" und die Gemeinschaft der "Béatitudes" (Seligpreisungen).
Abschliessend stellen die Verantwortlichen fest, wie sehr das Vertrauen zwischen den Gemeinschaften wächst. Weiterhin haben die 500 Jahre seit der Reformation und die 600 Jahre seit der Geburt von Niklaus von Flüe die Ordensleute einander nähergebracht, auch auf interkonfessioneller Ebene. Die alternden Gemeinschaften, die sich mit der "Kunst des Sterbens" vertraut machen müssen, bewahren ihr Vertrauen auf Christus, der auch sterben musste, und auf den Heiligen Geist, dem der Atem nie ausgeht. Das sind die Worte der drei Ordensleute: drei Weise, die schon recht alt sind, aber voll Vitalität.
Bernard Litzler, cath.ch (Übersetzung Iso Baumer)