„Bewegt hat mich die Offenheit, mit der Menschen ungeachtet ihrer religiösen Zugehörigkeit über ihren Glauben und die Freude sprachen, die sie daraus schöpfen – auf der Grundlage von Gemeinsamkeiten und gleichzeitig im Bewusstsein der Unterschiede“, sagt Katja Joho, Geschäftsführerin der Interreligiösen Arbeitsgemeinschaft in der Schweiz IRAS COTIS. Sie hatte am Sonntag an der Tagung von Muslimen und Christen im Dialoghotel Eckstein in Baar ZG teilgenommen.
„Es ist eindrücklich, welch rege Teilnahme und lebendiger Austausch zwischen Christen und Muslimen gepflegt wurde. Ich weiss, dass zuerst ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden muss, damit ein so grosses und vielfältiges Publikum aktiv an einer Veranstaltung teilnimmt“, betont Katja Joho und fügt hinzu: „Sich so intensiv miteinander auseinander zu setzen, schafft Beziehung, und es ist diese Beziehung, die innerhalb unserer Gesellschaft trägt – allenfalls auch in schwierigen Situationen.“
Eine Delegation der Moschee Fatih Camii von Baar hat an dieser Veranstaltung teilgenommen. Sie haben eine Grussbotschaft von Imam Ibrahim und des Präsidenten Seyid Dogan überbracht.
Verschiedene Wörter für „Freude“
Rund 110 Erwachsene, darunter 75 Muslime sowie 20 Kinder, haben an der Tagung unter dem Motto „Die Freude – ein zerbrechlicher Schatz“ teilgenommen. Die Kinder waren zu einem eigenen Programm eingeladen, sie machten sich spielerisch auf „Die Suche nach der goldenen Feder“. Die Erwachsenen, viele aus Baar und Umgebung, aber auch aus anderen Regionen der Schweiz, folgten reichhaltigen Impulsen und Beiträgen zum Tagungsthema. Im Saal hörte man Türkisch, Deutsch, Albanisch, Persisch, Französisch, Italienisch, Arabisch, Kurdisch. Unter den Teilnehmenden waren auch Vertreterinnen und Vertreter aus dem Irak und Syrien.
Ein Muslim sagte: „Freude“ ist auf Türkisch schwer zu übersetzen, da wir dafür drei verschiedene Wörter haben.“
Geschwisterlichkeit leben
Hasan Taner Hatipoglu, Ehrenpräsident der Vereinigung Islamischer Organisationen in Zürich VIOZ, wies auf die Erklärung von Abu Dhabi hin, die Papst Franziskus und der Gross-Imam von Kairo, Ahmad Mohammed Al-Tayyeb, im Februar 2019 gemeinsam unterzeichnet hatten: „Grundlage dieses wegweisenden Dokumentes ist die Geschwisterlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt.“ Leider würden Religionen oft politisch missbraucht. Im Koran stehe jedoch: „Debattiert mit den Schriftbesitzern (Christen und Juden) nur auf die beste Art und Weise.“ Dieser Vers werde als ein Gebot zum Dialog verstanden und von einem anderen Vers untermauert: „Die Gläubigen sind Geschwister.“ Hasan Hatipoglu führte weiter aus: „Wir Muslime, Juden und Christen gehören zur abrahamitischen Familie. Weil Gott alle Menschen liebt und uns in Verschiedenheit erschaffen hat, möchte er, dass wir uns gegenseitig respektieren, Gemeinsamkeiten entdecken und Vorurteile überwinden. Wenn wir Gott vertrauen, uns von ihm leiten lassen, wenn die Liebe unser Anker ist, können wir Probleme und Sorgen überwinden und so wieder die Freude am Leben finden.“
Freude schenken
„Wenn der Mensch glücklich ist und auch in widrigen Umständen glücklich sein kann – was fehlt ihm dann? Wir dürfen diese Freude der Welt nicht vorenthalten“, sagte Luzia Tersa Wehrle, langjährige Mitarbeiterin beim Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf. Hélène Rey, Nahostwissenschaftlerin, und Markus Moll, katholischer Pfarrer, berichteten anhand eines Filmbeitrags über eine Initiative der ökumenisch und interreligiös tätigen Fokolar-Bewegung in Algerien: ein freizeitliches Zusammensein mit Muslimen im Geist der Geschwisterlichkeit, ein Erlebnis der Freude mit wichtigen Anregungen für das Leben. Zuvor hatten christliche und muslimische Ehepaare aus ihrem Alltag erzählt, darunter auch von einem von der Fokolar-Bewegung organisierten Familien-Treffen. Weitere Beiträge mit Berichten von Treffen mit Muslimen in Lausanne, Rom und in Deutschland zeigten auf, wie das Miteinander gelingen kann. Eine muslimische Journalistin sagte: „Mir hat sich eine Türe in eine neue Welt geöffnet. Ich habe verstanden, wie man Frieden aufbaut.“
Initiative mit Strahlkraft
Die Tagung moderierten Taha Yunus Erdemli, Wirtschaftsinformatiker und leidenschaftlicher Kalligraph, sowie Hélène Rey, Mitarbeiterin in einer Menschenrechtsorganisation. Zur besonderen Atmosphäre der Freude trug auch der Musiker Emin Kara mit seinem traditionellen Saz-Seiteninstrument bei. Als Give-away erhielten alle Teilnehmenden am Schluss ein „Identitäts-Kärtchen“ mit zwei Sätzen: „Lasse nie zu, dass du jemandem begegnest, der nicht nach der Begegnung mit dir glücklicher ist“ (Mutter Teresa) und „Echte Freude besteht darin, das Geheimnis der Liebe zu finden. Die grösste Anbetung ist, lieben zu können“ (nach Yunus Emre).
Katja Joho unterstrich abschliessend: „Die IRAS COTIS ist Initiativen wie der Fokolar-Bewegung dankbar, dass sie solche Basisarbeit leisten und Veranstaltungen mit Strahlkraft wie diese Tagung organisieren. Sie fördern so den gegenseitigen Respekt und tragfähige Partnerschaften für ein friedliches Zusammenleben in der Schweiz.“
Evelyne Graf, Journalistin BR