Die junge Kirche lebt

Rund 50 Jugendliche aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben Anfang August als Gruppen der Fokolar-Bewegung am Weltjugendtag in Lissabon teilgenommen. Viele andere reisten mit ihren Pfarreien mit. 

Der 19jährige Amadeo aus dem Puschlav drückt aus, was wohl die meisten der rund 1,5 Millionen jungen Leute am Weltjugendtag erlebt haben: «So viele Junge zu sehen, die ihren Glauben ohne Angst leben und ausdrücken, hat mich berührt. Unglaublich war, wie alle miteinander umgegangen sind, so rücksichtsvoll und aufmerksam, das erlebe ich in meinem Alltag nicht.» Und Luzia, 16 Jahre, aus Steinhausen /ZG), ergänzt: «Man hat manchmal das Gefühl, die Kirche sei am Aussterben, wenn man in den Gottesdienst geht. Hier sind so viele junge Menschen zusammen. Das ist mega powerful. Ich erlebte eine lebendige Kirche!» Damiano aus dem Puschlav war beeindruck, wie still es trotz der vielen Leute bei den Gebeten jeweils war. Und Manuel (25), der mit seiner Pfarrei am WJT teilgenommen hat, schreibt: «Von Papst Franziskus nehme ich zwei Botschaften mit: Die Kirche ist offen für alle und wir sollen keine Angst haben: ‘Fürchtet euch nicht!’, sagte uns der Papst. In der Gruppe haben wir das diskutiert und fanden, dass die Offenheit mehr gepredigt als umgesetzt wird in der Kirche. Die Ermutigung des Papstes, keine Angst zu haben, hat mich jedoch persönlich erreicht.»

Die erste Woche schliefen die jungen Leute in einer grossen Schule, wo jede Gruppe ein Schulzimmer zum Übernachten bekam. Entsprechend unruhig und unbequem war es dort, die Duschen nur mit einem längeren Fussweg erreichbar. «Uns hat das geholfen, einfach zu werden, aus unserer Komfortzone heraus zu kommen. Man kann auch ohne den gewohnten Luxus leben!», sagt Selina Saleem, Begleitperson der Schweizer Gruppe. Die Vigil mit dem Papst sei «ein magischer Moment» gewesen, auch das anschliessende Übernachten auf dem Feld und das Erleben des Sonnenaufgangs am nächsten Morgen.

Kommunikation in Kriegszeiten

Einen besonderen Workshop bot die Initiative «Dialop» an. Seit 2014 führen Sozialistinnen, Marxisten und Christinnen, darunter auch Mitglieder der Fokolar-Bewegung, einen «transversalen Dialog» zu aktuellen, brennenden Themen. Am Weltjugendtag boten sie den Workshop «Kommunikation in Kriegszeiten» an, um zu diskutieren, wie soziale Medien und digitale Technologie in Konflikten zu Fallen für Verschwörungen und tendenziöse Interessen werden können.  134 junge Menschen aus 20 Ländern nahmen daran teil. Sie erlebten, dass sie als «Changemaker» Teil der notwendigen gesellschaftlichen Transformation sein können.

Gen verde WJT

Gen Verde-Konzert

Im Rahmen ihrer Portugal-Tournee erreichte die Frauenband der Fokolar-Bewegung, Gen Verde, am 2. August Lissabon, wo sie im vollbesetzten Auditorium der Zahnmedizinischen Fakultät  das Projekt «Start Now», an dem in den Tagen zuvor 100 Jugendliche aus rund 10 Ländern teilgenommen hatten, mit einer Show abschlossen: «die Energie des Konzerts war unbeschreiblich!», schreibt Gen Verde. Da das Konzert ausverkauft war, schlossen sich viele, auch die Gruppen aus der Schweiz, Österreich und Deutschland, der Band zwei Tage später bei ihrem Auftritt am Halleluya-Festival im Freien an. Es  war «Super toll und hat richtig ‘gefetzt’», erzählt Selina.

Nachtreffen

Die Schweizer Gruppe nahm nach den Weltjugendtagen auch noch am dreitägigen Nachtreffen, das die Fokolar-Bewegung organisiert hat, teil. 350 junge Leute aus 30 Ländern nahmen dort die Gelegenheit wahr, nochmals in die Tiefe zu gehen und das Erlebte zu verarbeiten.  Eleonora, 25, aus Baden (Aargau) sagt darüber: «Man durfte sich zeigen, seine Meinung sagen im gegenseitigen Respekt. Wir konnten diskutieren, ohne Angst, damit die Beziehung zu gefährden.» Trotz der Müdigkeit aufgrund der anstrengenden vorangegangenen Tagen «liess uns dieses Nachtreffen noch mehr als Gruppe zusammenwachsen», sagt Selina.

Rückblick von Co-Präsident Jesus Moran

Jesùs Moran, Co-Präsident der internationalen Fokolar-Bewegung, war wie viele junge Leute vom Kreuzweg mit dem Papst beeindruckt: «Eine internationale Gruppe junger Menschen arbeitete jahrelang daran, für die Vigil einen künstlerischen Rahmen von außergewöhnlicher Schönheit und visueller Wirksamkeit zu schaffen. Sie bauten eine riesige Bühne, eine Art Gerüst, auf dem sie sich auf beinahe ätherische Weise bewegten, sich fest an Seilen festgebunden fallen ließen und das Kreuz von einer Seite zur anderen, auf und ab trugen. Das Schwindelgefühl hielt an und die Wahl dieses Ansatzes war kein Zufall: An jeder Station wurde mit ein paar Worten der Reflexion und viel visueller Wirkung der «Schwindel», der das Leben junger Menschen heute durchdringt, zum Ausdruck gebracht: Süchte, Sinnlosigkeit, eine ungewisse Zukunft, Missachtung des Lebens, toxische Beziehungen. Alles Motive, die das Kreuz trug bzw. die der Gekreuzigte auf seinen Schultern trug, um in neues Leben verklärt zu werden.»

Und er fährt fort: «Vielleicht bin ich zu optimistisch, aber in diesen wenigen Tagen habe ich eine junge Kirche gesehen, die die Zeit der Prüfung bereits ein Stück weit hinter sich gelassen hat oder zumindest zuversichtlich ist, sie zu überwinden. Das haben mir die Tausenden und Abertausenden jungen Menschen beigebracht, die ich in Lissabon getroffen habe. Irgendetwas (vielleicht ihre Reinheit, verfeinert durch Schmerz und Unsicherheit) führt sie dazu, sich auf den Kern des Glaubens zu konzentrieren. Und ihnen gehört, wie der Meister sagt, das Himmelreich (vgl. Mt 5,1-12).»

Mit drei Bildern schliesst er seine Reflexionen: «Junge Menschen in Bewegung, überall in Lissabon (ein Symbol der Welt), manchmal erschöpft von der Hitze und der Müdigkeit, die sich nach Nächten mit wenig Schlaf angesammelt haben. Junge Menschen mit dem ‘Schwindel’ des Kreuzes auf ihren Schultern, auf dem all ihre Leiden geschrieben stehen. Junge Menschen knien voller Anbetung und sind sich bewusst, dass in einem Stück Brot alles Leben steckt, ein Leben, das nicht vergeht. Die lebendige Kirche, die Kirche von immer, die Kirche von heute, die Kirche der Zukunft.»