Übergabe des Klaus-Hemmerle-Preises 2022 an Hanna Suchocka, ehemalige polnische Premierministerin.
Nicht der ehrwürdige Aachener Dom, sondern der moderne Rundbau der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin war in diesem Jahr Schauplatz der zehnten Verleihung des Klaus Hemmerle Preises.
Überreicht wurde er von den Vertretern der Fokolar-Bewegung Maria Magerl und Roberto Rossi am 11. Juni 2022 an Prof. Dr. Hanna Suchocka, ehemalige Premierministerin, Justizministerin und Generalstaatsanwältin Polens. In den verlesenen Grußworten des polnischen Erzbischofs Wojciech Polak, des Aachener Bischofs Helmut Dieser sowie der Fokolar-Präsidentin Margaret Karram wurde bereits die hohe Wertschätzung deutlich, die Suchocka für ihr gradliniges und werteorientiertes Engagement genießt.
Karram machte deutlich, was die Fokolar-Gemeinschaft mit der Preisträgerin verbindet: „Deshalb fühlen wir uns dafür verantwortlich, alle gemeinsam – ob gläubig oder nicht – unser gemeinsames Haus aufzubauen, Mauern niederzureißen, die immer noch bestehenden Ungleichheiten abzubauen und ein Netzwerk fairer und offener Beziehungen zwischen Menschen und Gemeinschaften zu schaffen, das neue Regeln für die globale Welt anbietet.“
In seiner Laudatio würdigte dann Prof. Dr. Thomas Sternberg, der ehemalige Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, die vielfältigen Verdienste von Hanna Suchocka in Politik und Gesellschaft, im Rechtswesen und nicht zuletzt in der polnisch-deutschen Aussöhnung. Sternberg nannte sie eine „überzeugte und überzeugende Europäerin“, deren Einfluss heute mehr denn je wichtig sei. Denn jetzt gelte es, den neuen Generationen die Schlüsselrolle des deutsch-polnischen Verhältnisses zu vermitteln: Die sei nicht mehr gezeichnet „vom Blick zurück, zu den Wunden, die der Krieg geschlagen hat, sondern muss geprägt sein von dem freundschaftlichen Miteinander zweier großer europäischer Länder, die sich nicht mehr argwöhnisch belauern, sondern gemeinsam an einem friedlichen, geeinten und freien Europa bauen, das sich öffnen kann für weltweite Verantwortung und Solidarität.“
In ihrer Erwiderung zum Dank griff Professorin Suchocka zunächst die berühmten Worte von Johannes Paul II. auf: „Habt keine Angst! Und dann habe Wojtyla für Offenheit plädiert, die auch Suchockas Leitmotiv ist: „Offenheit für das Fremde, für andere Religionen, für andere Kulturen, für Nicht-Gläubige und anders Denkende.“ „Angst lähmt und verschließt uns. Es wird keine Perspektive geschaffen. Nur eine angstfreie und offene Haltung kann uns zum Dialog führen.“
Für die ehemalige polnische Premierministerin konzentriert sich die wichtigste europäische Debatte genau auf diesen Punkt: „Der Streit um die Multikulturalität scheint zu den wichtigsten Themen in Europa zu gehören. Sind wir bereit, im Zusammenhang mit der Flüchtlingswelle den Vorrang des Multikulturalismus vor der sozialen Homogenität zu akzeptieren?“
Sie beobachte gerade in der jüngeren Vergangenheit gefährliche Anzeichen für neue Konflikte und Missverständnisse, die zu Rissen führten. Man könne sich fragen, ob Europa überhaupt noch ein Ort des Dialogs sei. „Aber wir sind uns einig: Wenn Europa aufhört, dialogisch zu sein, dann verliert es damit etwas, das andere anzieht.“ Eckpfeiler eines gemeinsamen Europas seien für sie die Rechtstaatlichkeit und der Grundsatz der Solidarität. „Mangelnde Solidarität insbesondere in Zeiten schwerer Migrationskrisen führt zu einer Zunahme des nationalen Egoismus.“ Um dem entgegenzutreten und damit Dialog gelinge, brauche es außerdem Vergebung, die Bereitschaft zu Kompromissen und Sprachfähigkeit. Wenn die Sprache der Aggression und der Ausgrenzung ins Spiel käme, sei der Dialog in Gefahr. Das zeige die aktuelle Situation in der Ukraine besonders deutlich.
Hanna Suchocka beendete ihre Dankesrede optimistisch: Auch wenn es in der heutigen Zeit als schwierige Herausforderung erscheinen möge: Zwischen egoistischer Gleichgültigkeit und gewaltsamem Protest sei der Dialog für sie auch heute immer eine Option.