Etwa vierzig Personen haben sich am 1. September 2024 im 'Haus des Dialogs' (l'Arzillier), in Lausanne, zum zehnten Treffen von 'Muslime und Christen auf dem Weg' verabredet. Hinzu kam ein Dutzend über das Internet. Das Thema war das Gebet.
Die Formel für diese jährlichen Treffen ist inzwischen 'eingespielt'. Nach einer Einführung folgen zwei Vorträgen zum Thema, zwei Zeugnissen und dann tauscht man die Gedanken und Erfahrungen aus in Kleingruppen.
Pastor Martin Hoegger, christlicher Ko-Vorsitzende des Treffens, lädt zu einem aufmerksamen und gegenseitigen Zuhören ein, da "der Dialog mit dem Zuhören beginnt". Frau Sandrine Ruiz, muslimische Ko-Vorsitzende, wünschte allen, dass diese Momente des Zusammenseins eine Erhellung und Hilfe sein könnten, auf einem gemeinsamen Weg mit immer mehr gegenseitigem Verständnis und der Bekundung von Brüderlichkeit voranzuschreiten.
Die junge protestantische Theologin Hanitra Irène Raoelison, aus Madagaskar und Mitglied der Fokolar-Gemeinschaft in Genf, bringt ihre Gedanken über die Bedeutung des Gebets ein. "Es gibt tausend und eine Definition, die man dem Gebet geben könnte. Für Chiara Lubich, die Gründerin der Fokolar-Bewegung, ist das Gebet 'der Atem unserer Seele, der Sauerstoff unseres gesamten spirituellen Lebens, der Ausdruck unserer Liebe zu Gott, der Treibstoff für jede unserer Aktivitäten'."
Vahid Khoshideh, Vorsitzender der Islamischen und Kulturellen Vereinigung von Ahl-el-Bayt in Genf, steuerte die zweite Überlegung bei. Er gab eine Zusammenfassung der Bedeutung des Gebets im Islam: „Das Gebet nimmt im muslimischen Glauben einen zentralen Platz ein, da es nicht einfach ein Ritual ist, sondern ein tiefer Akt der Hingabe, der Unterwerfung und der spirituellen Verbindung mit dem Schöpfer.
Er unterscheidet zwei 'Verbindungswege': das Lesen des Korans und die Anrufung. Das Lesen des Korans stellt eine Kommunikation 'von oben nach unten' dar. Sie ermöglicht es, die göttlichen Lehren zu empfangen, den Geist und das Herz mit ihnen zu durchdringen und sich an die Gebote Gottes zu halten.
Die Anrufung hingegen ist eine Kommunikation'von unten nach oben'. Sie ist ein spontanes und persönliches Gebet, in dem der Einzelne seine Bedürfnisse, seinen Dank, seine Reue oder sein Lob direkt an Gott richtet. V. Khoshideh betont, dass der Islam sich dadurch auszeichnet, dass der Gläubige eine direkte Beziehung zu Gott hat, ohne Vermittler. Der Gläubige kann jederzeit seine Hände zum Himmel erheben und Gott anrufen.
Die Eindrücke, die am Ende des Treffens gesammelt wurden, zeugen von der Freude über die gegenseitige Entdeckung. Es gibt viele Gemeinsamkeiten in unseren Werten und unserer Art zu beten, auch wenn die Worte unterschiedlich sind. Ein Teilnehmer schrieb: "Sich so zu begegnen, wie wir es getan haben, hilft uns, die negativen Bilder zu überwinden, die wir von anderen haben können. Die Bedeutung des Gebets in unseren Religionen zu entdecken, ist eine Hoffnung für den Frieden".
Martin Hoegger