Werkstatt der Geschwisterlichkeit
Seit 40 Jahren üben knapp hundert Personen von 18 bis 90 und aus 35 Nationen in der «Mariapoli Foco» in Montet (Broye), wie interkulturelles Zusammenleben geht. Am 15. und 16. Oktober laden sie zum grossen Jubiläumsfest.
Seit 1981 gehen im ehemaligen Haus des Salvatorianer-Ordens im freiburgischen Montet junge Leute aus aller Welt ein und aus. Sie besuchen eine der von der Fokolar-Bewegung dort angebotenen einjährigen Lebensschulen, die eine «Werkstatt der Geschwisterlichkeit» sein wollen, wie Marius Müller, Kommunikationsbeauftragter, sagt. Die Studierenden erhalten eine Basisausbildung in Theologie und Soziologie sowie im interkonfessionellen und interreligiösen Dialog. Sie vertiefen gemeinsam die der Fokolar-Bewegung eigene Spiritualität der Einheit und deren Umsetzung und Verwirklichung in den unterschiedlichsten Bereichen der Gesellschaft.
Zu dieser Schulung gehört auch das tägliche interkulturelle Zusammenleben in kleinen Wohngruppen sowie der Kontakt mit der älteren Generation, Menschen, die hier fest ihren Wohnsitz haben und die Kontinuität der kleinen Siedlung garantieren. «Die Jugendlichen bringen ihre Kräfte, ihre Intelligenz, ihren Enthusiasmus und eine Menge Optimismus mit. Sie haben ein grosses Bedürfnis nach authentischen, generationenübergreifenden Beziehungen», sagt Philippe Ehrenzeller, zuständig für die Aussenbeziehungen. «Sie stellen aber auch Vorgehensweisen, Traditionen und Programme in Frage, die sich in den vergangenen Jahren bewährt haben, um nach neuen Wegen zu suchen.» Die ältere Generation habe eine andere Aufgabe. Carlo Reggi, pensionierter Schreiner aus Italien, sagt: «Mit zunehmendem Alter lassen unsere körperlichen Kräfte nach. Ich meine, dass die ständige Suche nach einer tieferen Beziehung zu Gott der beste Beitrag ist, den wir geben können.» Und Leandro Ramirez, Jugendlicher aus Argentinien, fügt an: „Natürlich fehlen auch Herausforderungen nicht: der Mangel an Dialog oder Zuhören (auf beiden Seiten), die Angst, sich auf Neues einzulassen oder den Wandel nicht lange durchhalten zu können. Wir versuchen alle gemeinsam das Gleichgewicht zwischen Tradition und Neuem zu finden.»
Die ökologische Krise trifft Jung und Alt gleichermassen. «Da wir es mit Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt zu tun haben, öffnen sich für einige neue Horizonte, wenn sie sehen, wie sorgfältig in der Schweiz die Abfälle getrennt werden, andere hingegen tun sich schwer, ihre Gewohnheiten zu ändern.», erklärt Antoon van der Burgt, zuständig für den Unterhalt der Gebäude und der Umgebung: «Immerhin: in den vergangenen Jahren konnten 400 Photovoltaikmodule installiert werden, die etwa einen Drittel des Stromverbrauchs der Siedlung decken.» Tom McGlynn, Jugendlicher aus den USA und sehr sensibel für ökologische Fragen: „In der Tat finden unsere "Lektionen" nicht nur im Klassenzimmer oder in unserem persönlichen Leben statt. Seit einigen Jahren sind wir auf dem Weg, das Potenzial dieser Siedlung zu entwickeln. Es wird heute oft über Nachhaltigkeit gesprochen. Die Ökologie lehrt uns, dass finanzielle Nachhaltigkeit niemals ohne soziale Nachhaltigkeit erreicht werden kann. Und die soziale Nachhaltigkeit wird ohne ökologische Nachhaltigkeit immer schwieriger.“
Da die Siedlung in einer ökumenischen Region liegt, war es für die Gründerin der Fokolar-Bewegung, Chiara Lubich[1], klar, dass die Lebensschule in Montet eine ökumenische Ausrichtung haben sollte. In den vergangenen vierzig Jahren haben hier Angehörige verschiedener Kirchen gelebt, welche auch am Leben dieser Kirchen in der Region teilgenommen und dieses mitgestaltet haben.
«Schon in den 50er Jahren hat der Schriftsteller Max Frisch von einer «neuen Stadt» geträumt, die aus Menschen besteht, die von einem Ideal beseelt sind, das die Kraft hat, Hoffnung zu geben, die Menschen an Werte glauben zu lassen, die die menschliche Seele erheben können, und ... er stellte sie in die Drei-Seen-Region (Murten-Biel-Neuenburg), wo auch unsere Siedlung steht. Nachzulesen in ‘Achtung: die Schweiz’», sagen die beiden Co-Verantwortlichen Maria Regina Piazza und Markus Näf. «Damit beschreibt er ziemlich genau das, was wir hier in der Siedlung Mariapoli Foco leben möchten.»
Die Bewohnerinnen und Bewohner wollen sich in allen Lebensbereichen von der Liebe leiten lassen, wie sie das Evangelium beschreibt, von der “goldenen Regel”, die in den meisten Heiligen Schriften der Weltreligionen beschrieben ist: “Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen!” (Mt 7,12). Ein Übungsfeld, wo man lernt als echte Schwestern und Brüder zu leben, unabhängig von Altersunterschied, von verschiedenen Charaktereigenschaften, Kulturen oder Religionen, mit dem Wunsch, eine Gesellschaft zu skizzieren, die auf der universellen Geschwisterlichkeit gründet. www.focolari-montet.ch www.fokolar-bewegung.ch